PAWEL STREIT

People, Reportagen

Vadim

Portrait, Moskau

Mein Blick schweift durch ein fremdes Zuhause.

In einem sowjetischen Plattenbau zu Gast, erhalte ich für ein paar Stunden Einblick in das Innenleben eines russischen Apartments. Klein, eng und für meine gewohnten Verhältnisse kaum ausreichend, offenbart sich dieses als tagtägliche Realität für hier Wohnhafte. Es handelt sich lediglich um eine einzelne Wohnung, auf einer einzigen Etage, eines einzelnen Plattenbaus. Gefühlte 20 Meter entfernt spriesst das nächste Betonungetüm aus dem Boden.

Der Balkon erwärmt sich durch die letzten Strahlen der Abendsonne, die sich bald im Schummern der Dämmerung verlieren werden. Die Katze im Nebenzimmer gibt keinen Mucks von sich. Trotzdem ist sie da – ihr Katzenklo stinkt. Dazu gesellt sich der Geruch des Alters. Hier leben schon seit geraumer Zeit Menschen in der immergleichen Konstellation. Erinnerungen an das Wohnzimmer meiner Grosseltern lassen mich das zumindest glauben.

In meinem Gaumen klebt der Geschmack der als Kondensmilch beschriebenen Paste, die wir zuvor mit selber gemachten Omeletten geschlemmt haben. Belanglos prallt der Lärm Moskaus gegen die Scheiben. Hier nehme ich nur das Ticken der Wanduhr wahr. Von Zeit zu Zeit wird es durch Kommentare des zwei Armlängen vor mir stehenden älteren Herrn übertönt. Ich kann ihn nicht verstehen, die Sprachbarriere versperrt uns den Weg.

Eine leichte Spur von Unwohlsein durchdringt mich. Trotz der kulturellen Unterschiede wird es jedoch fortwährend von überwältigender Gastfreundschaft verdrängt. Soweit, bis ich mich getraue, meine Kamera auf diese fremde und doch irgendwie vertraute Person zu richten. Sie fasziniert mich. Ihr Leben in und mit diesem Umfeld weckt mein Interesse. Vadim wohnt hier seit mehr als 20 Jahren. Lediglich die Balalaika in der Ecke erinnert an seine weit zurück liegende Zeit als Musiker. Nur noch selten verlässt er seine eigenen vier Wände, sein Reich, seinen Käfig. Sein nach Alkohol riechender Atem dringt zu mir herüber.

Ich drücke den Auslöser.